Nach dem gescheiterten Aufstand der Söldnergruppe Wagner gibt es keine Informationen über den Aufenthaltsort ihres Chefs Jewgeni Prigoschin. Nach Berichten unabhängiger russischer Medien vom Sonntag gab die Wagner-Pressestelle an, derzeit keinen Kontakt zu Priogoshin zu haben. Auf Nachfrage erhielt der russischsprachige Sender RTVi die Information: „Er lässt alle grüßen und wird Fragen beantworten, wenn er wieder normalen Empfang hat.“
Das Ausmaß der Kämpfe während des Aufstands blieb weitgehend unklar. Pro-russischen Militärblogs zufolge wurden mehrere Piloten der russischen Luftwaffe getötet. Die Angaben zur Zahl der Todesopfer schwankten zwischen 13 und mehr als 20 Soldaten, wie das unabhängige Internetportal currenttime berichtete. Insgesamt wurden sechs Hubschrauber und ein Aufklärungsflugzeug von Wagner abgeschossen. Eine Bestätigung hierzu gab es seitens der russischen Behörden nicht.
Laut US-Medienberichten gibt es bereits seit Längerem Hinweise auf einen Aufstand. Nach Angaben der Washington Post erhielten die US-Geheimdienste Mitte Juni Informationen darüber, dass Prigoschin bewaffnete Aktionen gegen die Militärführung plante. Auch das Weiße Haus sei darüber informiert, hieß es unter Berufung auf ungenannte Quellen. Nach Angaben der New York Times informierte der US-Geheimdienst am Mittwoch hochrangige Militärs darüber, dass Prigoschin einen Militärschlag gegen die eigene Führung vorbereitete.
Nach Angaben der russischen Behörden setzen die Söldner ihren Abzug fort. In Lipezk, 400 Kilometer südlich von Moskau, gab Gouverneur Igor Artamonow am Sonntag im Nachrichtensender Telegram bekannt, dass die Wagner-Kämpfer sein Verwaltungsgebiet verlassen hätten. Weiter südlich in der Region Woronesch sei der Abzug noch im Gange, sagte Gouverneur Alexander Gusev. „Es läuft wie geplant“, schrieb er auf Telegram. „Wenn die Situation endgültig geklärt ist, werden wir alle eingeführten Beschränkungen aufheben.“ Am Nachmittag teilte die Gebietsverwaltung mit, dass der Verkehr auf der wichtigen Nord-Süd-Route M4 wieder fließend sei.
Abgang des Wagner-Chefs: Ein Schaulustiger macht ein Selfie mit Jewgeni Prigoschin in Rostov.AP/dpa
Beobachtern zufolge gab es Verhandlungen zwischen dem Kreml und dem Wagner-Chef, bei denen auch eine Umstrukturierung der russischen Armeeführung diskutiert wurde. Möglicherweise hat Putin Zugeständnisse gemacht. Der Kreml gab bekannt, dass Prigoschin nach Weißrussland reisen dürfe.
Nach Angaben des US-amerikanischen Instituts für Kriegsstudien (ISW) in Washington hat der Aufstand massive Schwächen im russischen Sicherheitssystem offenbart. Dies könne die Moral der russischen Soldaten an der Front schwächen, hieß es. Nach Angaben des ISW hätten die Wagner-Söldner die Moskauer Vororte erreichen können, wenn Prigozhin dies gewollt hätte.
Prigoschin wurde zuletzt gesehen, wie er die Stadt Rostow in einem Auto verließ. Selbst die Pressestelle der russischen Privatarmee hat keine Ahnung, wo ihr Chef ist.
Prigozhin wurde zuletzt am Samstagabend gesehen. Auf Videos war zu sehen, wie er in einem schwarzen SUV aus der südrussischen Stadt Rostow am Don wegfuhr. Seitdem liegen keine weiteren Informationen vor. Der Söldnerführer hatte in der Nacht zum Samstag zu einem Aufstand gegen die russische Militär- und Staatsführung aufgerufen. Seine bewaffneten Männer besetzten Militärgebäude in Rostow, während andere Kämpfer in Lastwagenkonvois Richtung Moskau rollten. Am Abend erklärte er den Aufstand für beendet – nach seinen eigenen Worten, um Blutvergießen zu vermeiden.